Kunst als Spiegel der Macht: Kunst und Politik in der Zwischenkriegszeit (1918-1939)

Anna

15.07.2025

Die Kunst als Propaganda: Deutschland und der Nationalsozialismus

Die deutsche Kunst der Zwischenkriegszeit ist untrennbar mit der Ideologie des Nationalsozialismus verbunden. Nach der Machtübernahme 1933 verfolgten die Nationalsozialisten eine systematische Kampagne zur «Entheiligung der Kunst» – der Zerstörung und Auslöschung aller Kunst, die nicht ihren ideologischen Vorgaben entsprach. Gleichzeitig wurde jedoch parallel eine völlig neue Kunstordnung geschaffen, die als Instrument der totalen Propaganda diente. Der Begriff «Entartete Kunst» wurde von den Nationalsozialisten geprägt, um eine ganze Gruppe von Künstlern – darunter Künstler des Expressionismus, Kubismus und Dada – zu diffamieren und zu verunglimpfen. Diese Künstler, die sich durch ihre experimentellen Formen und ihren kritischen Blick auf die Gesellschaft auszeichneten, wurden als Bedrohung für die «deutsche Kunst» und somit für die neue Nation definiert.

Die sogenannte «Neue Sachlichkeit» war eine direkte Folge dieser Verfolgung. Künstler wie Otto Dix, George Grosz und Max Beckmann schufen düstere und realistisch-satirische Werke, die die Schreie des Krieges, die Verrohung der Gesellschaft und die sozialen Probleme des Weimarer Reichs aufzeigten. Diese Werke, obwohl von den Nationalsozialisten als «entartet» betrachtet, zeigten den tiefen Wunden der Gesellschaft und wurden während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit für den deutschen Volk wiederentdeckt. Das Ziel war nicht primär die politische Propaganda im Sinne von glorifizierendem Patriotismus, sondern die Darstellung einer existentiellen Wahrheit, die den deutschen Soldaten und dem Volk zugute kam.

Die Kunstpolitik der Nationalsozialisten verlagerte sich nach dem Krieg auf eine glorifizierende Darstellung des Krieges, des deutschen Reiches und des Führer-Mythos. Es wurden Künstler engagiert, die monumentale, pathetische Bilder schufen, die den Krieg als eine heroische Leistung darstellten und den Führer als einen allmächtigen Retter des deutschen Volkes idealisierten. Der «Kunstfront» wurde gegründet, um die künstlerische Produktion in Richtung der nationalsozialistischen Ideologie zu lenken. Die Entdeckung und Aufarbeitung dieser Kunstpolitik ist bis heute ein zentraler Bestandteil der deutschen Geschichtsschreibung.

Die Rolle der Auftragskunst

Ein wesentlicher Bestandteil der Kunstpolitik der Nationalsozialisten war die Förderung der Auftragskunst. Künstler wurden von staatlichen Stellen oder privaten Mäzenen mit der Erstellung von Kunstwerken beauftragt, die spezifische politische Ziele verfolgten. Dies betraf beispielsweise die Gestaltung von Plakaten, Wandmalereien, Bühnenbildern für Theateraufführungen und die Erstellung von Kunstwerken für staatliche Gebäude. Die Auftragskunst diente dazu, die nationalsozialistische Ideologie in der breiten Öffentlichkeit zu verbreiten und die Macht des Staates zu demonstrieren.

Die Auswanderung und die «Exilliteratur»

Nicht alle Künstler versuchten, sich der nationalsozialistischen Kunstpolitik anzupassen. Viele emigrierten ins Ausland, wo sie weiterhin ihre künstlerische Arbeit fortsetzten. Diese «Exilliteratur» – die Kunst der emigrierten Künstler – spielte eine wichtige Rolle bei der Bewahrung der freien Gedanken und die Verweigerung des NS-Kunstmythos. Künstler wie Otto Dix und George Grosz fanden in Paris und anderen europäischen Städten neue Wirkungsstätten und konnten ihre kritischen Positionen beibehalten.

Der Einfluss der Avantgarde

Trotz der Verfolgung der Avantgarde blieb der Einfluss von Kunstbewegungen wie dem Expressionismus, Kubismus und Dada in der deutschen Kunst der Zwischenkriegszeit spürbar. Auch wenn diese Bewegungen systematisch ausgeblendet wurden, beeinflussten sie weiterhin die Arbeit vieler Künstler, die versuchten, ihre kreativen Ideen trotz der ideologischen Zwänge der Nationalsozialisten zu bewahren.

Kunst und Politik in Italien: Futurismus und Faschismus

In Italien spielte der Futurismus eine zentrale Rolle bei der Verbindung von Kunst und Politik. Gegründet von Filippo Tommaso Marinetti im Jahr 1909, propagierte die Bewegung die Verherrlichung von Geschwindigkeit, Technologie, Krieg und Gewalt. Der Futurismus war eng mit den politischen Zielen von Benito Mussolini und der Faschistischen Partei verbunden.

Der Futurismus wurde als ein Instrument zur Stärkung des italienischen Nationalbewusstseins und zur Vorbereitung auf den Krieg eingesetzt. Die Bewegung förderte eine aggressive und militaristische Kunst, die die Werte der italienischen Nation widerspiegeln sollte. Die futuristischen Künstler schufen monumentale Skulpturen, Theateraufführungen und Plakate, die den Krieg als eine positive Kraft und den Führer als einen Helden idealisierten.

Die Rolle der Propaganda

Wie in Deutschland wurde der Futurismus auch in Italien als ein Instrument der Propaganda genutzt. Die Bewegung förderte eine aggressive und nationalistische Botschaft, die die italienische Bevölkerung zu Kampfbereitschaft und nationaler Einheit mobilisierte. Die futuristischen Künstler wurden von der Regierung unterstützt und erhielten Aufträge zur Gestaltung von Veranstaltungen und zur Erstellung von Kunstwerken, die die Ideologie des Faschismus widerspiegelten.

Die Beziehung zur Architektur

Der Futurismus beeinflusste auch die italienische Architektur. Architekten wie Antonio Sant’Elia schufen visionäre Entwürfe für moderne Städte, die Geschwindigkeit, Technologie und Funktionalität betonten. Diese Entwürfe sollten als Modell für eine neue italienische Stadt dienen, die den Werten des Faschismus entsprach.

Kunst und Politik in Frankreich: Die Surrealisten und der Widerstand

Hier ist eine mögliche Antwort:Ein stilles Zimmer, alt und verlassen. (Un salón silencioso, viejo y abandonado.)

In Frankreich spielte die Bewegung der Surrealisten eine entscheidende Rolle im Widerstand gegen die faschistische Ideologie. Die Surrealisten, angeführt von André Breton, lehnten die Logik, die Rationalität und die konventionellen Formen der modernen Kunst ab. Stattdessen setzten sie auf das Unbewusste, den Traum und die Fantasie als Quellen der Kreativität.

Die Opposition zur Nation

Die Surrealisten stellten die Ideale der Nation, des Patriotismus und der Glorifizierung des Krieges in Frage. Sie sahen in der Kunst die Möglichkeit, die Mechanismen der Macht zu entlarven und eine kritische Perspektive auf die Realität zu entwickeln.

Die Rolle der Automatism

Ein wesentliches Element der surrealistischen Kunst war die Automatismus. Künstler versuchten, ihre Werke ohne bewusste Kontrolle des Geistes zu schaffen, um das Unbewusste freizusetzen und eine authentische künstlerische Ausdrucksweise zu erreichen.

Die Unterstützung der Résistance

Die Surrealisten engagierten sich aktiv in der Résistance gegen die deutsche Besatzung. Sie versuchten, die moralische Widerstandskraft der französischen Bevölkerung zu stärken und die Entfremdung von den Waffen zu verhindern. Ihre Kunst diente dazu, die Menschen zu ermutigen, sich gegen den Faschismus zu wehren.

Fazit

Die Beziehung zwischen Kunst und Politik in der Zwischenkriegszeit war komplex und vielschichtig. In Deutschland wurde die Kunst zum Instrument der totalen Propaganda des Nationalsozialismus. In Italien diente der Futurismus den politischen Zielen des Faschismus. In Frankreich spielte die Surrealisten eine wichtige Rolle im Widerstand gegen den Faschismus.

Diese Beispiele zeigen, dass Kunst nicht neutral ist. Sie ist immer mit politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kontexten verbunden. Künstler können ihre Werke nutzen, um ihre eigenen Ideen und Werte zu vermitteln, aber sie können auch von politischen Kräften beeinflusst und manipuliert werden. Die Auseinandersetzung mit der Kunst der Zwischenkriegszeit ist daher nicht nur eine historische Aufgabe, sondern auch eine wichtige Lektion für uns heute. Sie zeigt uns, wie wichtig es ist, die Machtverhältnisse zu erkennen und kritisch zu hinterfragen. Die Kunst dieser Zeit ist ein Spiegel unserer eigenen Gesellschaft und ein Mahnmal gegen jede Form von Ideologie und totalitärem System.

Es ist entscheidend, die Erinnerung an die Verfolgung von Künstlern und die Instrumentalisierung der Kunst durch politische Mächte zu bewahren. Die Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen hilft uns, die Mechanismen der Propaganda und Manipulation zu verstehen und zu erkennen, wie die Kunst dazu missbraucht werden kann, um Menschen zu beeinflussen und zu kontrollieren. Darüber hinaus zeigt uns die Geschichte der Kunst der Zwischenkriegszeit auch die Widerstandsfähigkeit und Kreativität der Menschen, die sich gegen die Unterdrückung und die Ungerechtigkeit aussprachen.

Die vielfältigen und oft widersprüchlichen Ausdrucksformen der Kunst dieser Zeit sind ein Zeugnis für die Vielfalt der menschlichen Erfahrung und die Fähigkeit der Menschen, trotz der Widrigkeiten ihre Kreativität zu bewahren. Die Kunst der Zwischenkriegszeit ist ein faszinierendes und wichtiges Kapitel der Kunstgeschichte, das uns dazu anregt, die Beziehung zwischen Kunst und Politik weiterhin kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. Die Frage nach der Verantwortung von Künstlern und der Rolle der Kunst in der Gesellschaft ist auch heute noch relevant und verdient unsere Aufmerksamkeit. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema kann uns helfen, ein besseres Verständnis für die Welt um uns herum zu entwickeln und eine kritische Haltung gegenüber Macht und Ideologie zu bewahren.