Die Schatten der Religion und die Flammen der Folklore
Vor 1990 waren die meisten Gesellschaften in Osteuropa tief in religiösen Traditionen verwurzelt. Obwohl der Kommunismus versuchte, die Religion zu unterdrücken, blieben die Glaubensvorstellungen und Bräuche in vielen Menschen tief verwurzelt. Die orthodoxe Kirche, besonders in Russland und den Balkanstaaten, spielte eine zentrale Rolle im Leben der Menschen. Die katholische Kirche hatte in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei eine bedeutende Präsenz. Darüber hinaus gab es auch viele lokale und regionale Kulte, die oft mit Naturgeistern oder Heiligen verbunden waren.
Die Folklore, also die mündliche Überlieferung von Geschichten, Liedern und Bräuchen, war ein integraler Bestandteil der kulturellen Identität. Diese Geschichten dienten nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Vermittlung von Werten, Moralvorstellungen und historischen Erinnerungen. Die Volkslieder, oft in komplexen Melodien und mit tiefgründigen Texten, waren Ausdruck der Sehnsüchte und Ängste der Menschen. Die Festtage und Traditionen waren oft eng mit religiösen Feiertagen verbunden, wurden aber auch mit eigenen, spezifischen Bräuchen und Ritualen gefeiert. Die Bewahrung dieser Traditionen war oft ein Akt des Widerstands gegen den Einzug des Kommunismus. Die Krampus, das weihnachtliche Kulturbewusstsein in Österreich und Teilen Süddeutschlands, zeigt ein besonders lebendiges Beispiel für die Widerstandskraft gegen ideologische Einmischung. Die Pflege dieser Kulturen war ein aktiver Versuch, die eigene Identität zu bewahren, während der Sozialismus versuchte, diese zu unterdrücken. Die Reliquien religiöser Figuren, oft in kleinen Dörfern aufbewahrt, symbolisierten die tiefe religiöse Verbundenheit und wurden als Schutzpatrone angesehen.
Kunst und Literatur: Zwischen Ideologie und Rebellion
Die künstlerische Landschaft Osteuropas vor 1990 war von einer ambivalenten Situation geprägt. Einerseits wurden Künstler und Schriftsteller von der kommunistischen Ideologie beeinflusst und mussten ihre Werke an die politischen Vorgaben anpassen. Andererseits gab es immer noch eine Generation von Künstlern und Schriftstellern, die versuchten, sich dem Einfluss der Ideologie zu entziehen und ihre eigenen, oft kritischen und rebellischen, Gedanken auszudrücken.
Die Malerei war oft von sozialistischen Themen geprägt, die die Errungenschaften des Sozialismus feierten und die Arbeiterklasse als Helden darstellten. Allerdings gab es auch Maler, die sich von diesen Themen distanzierten und sich stattdessen mit menschlichen Dramen, psychologischen Problemen oder der Natur auseinandersetzten. Die Lyrik der sozialistischen Epoche war oft von Ideologie und politischer Rhetorik geprägt, aber es gab auch Lyriker, die sich dem Widerstand gegen die Ideologie verschrieben hatten. Die Künstlerkollektive in der DDR beispielsweise, suchten nach neuen Ausdrucksformen, die den vorgegebenen Normen widersprachen. Die Avantgarde bewegte sich in vielen Ländern, wenn auch oft unterdrückt, mit ihren Experimenten und neuen Formen der künstlerischen Gestaltung.
Die Literatur war ebenfalls von politischen Vorgaben beeinflusst, aber es gab auch Autoren, die sich dem Widerstand gegen die Ideologie verschrieben hatten. Die Dichtung des Poesie-Kollektivs «Gruppe 47» in der Bundesrepublik Deutschland, obwohl sich auf ein post-kommunistisches Gebiet bezieht, zeigt die Schwierigkeiten, sich der staatlichen Kontrolle zu entziehen. Die Theaterstücke wurden oft genutzt, um die Errungenschaften des Sozialismus zu feiern oder die negativen Aspekte der kommunistischen Herrschaft zu thematisieren. Die Experimentelle Theaterszene in der DDR war ein Beispiel für den Wunsch nach künstlerischer Freiheit und der Kritik an der staatlichen Kontrolle. Die Literatur der Samisdat-Szene (selbstverlegte Literatur) spielte eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die ideologische Unterdrückung. Die Filmindustrie wurde als Instrument der Propaganda eingesetzt, aber es gab auch Regisseure, die versuchten, die Wahrheit über die kommunistische Herrschaft zu zeigen.
Leben im Wandel: Industrialisierung, Urbanisierung und die Veränderung der Lebensweisen

Die Industrialisierung und Urbanisierung waren in Osteuropa vor 1990 tiefgreifende Prozesse, die die Lebensweisen der Menschen grundlegend veränderten. Die Industriezentren wie Lemberg, Košice und Warschau wuchsen rasant und zog Menschen aus den ländlichen Gebieten an. Dies führte zu einer Veränderung der sozialen Strukturen und zu neuen Konflikten zwischen Stadt und Land.
Die Industrialisierung führte zu einer Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Umweltverschmutzung. Die Urbanisierung führte zu einer Entfremdung der Menschen von ihren Wurzeln und zu einer Entstehung von sozialen Problemen wie Armut und Kriminalität. Die Landwirtschaft wurde zunehmend auf Hochplantagen umgestellt, was zur Verdrängung von Kleinbauern und zur Zerstörung der Landschaft führte.
Allerdings führte die Industrialisierung und Urbanisierung auch zu einer Verbesserung der Lebensstandards für viele Menschen. Die Infrastruktur wurde ausgebaut, und es entstanden neue Arbeitsplätze. Die Bildung wurde gefördert, und es gab mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung. Die Neue Wohnraum in vielen Städten bot eine Verbesserung der Lebensqualität, obwohl oft auf Kosten von Grünflächen und traditionellen Wohnformen. Die Konsumgesellschaft begann sich zu entwickeln, beeinflusst durch die Verbreitung von Massenware. Die Mobilität wurde durch die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs und später durch den Pkw erleichtert, was die Lebensentfernungen verringerte.
Die Schattenseiten: Der Sozialismus und seine Auswirkungen
Die kommunistische Herrschaft in Osteuropa vor 1990 war von vielen Schattenseiten geprägt. Die Einheitsplatz der Ideologien führte zu einer Unterdrückung von Meinungsfreiheit und zu einer Einschränkung der Bürgerrechte. Die Überwachung der Bevölkerung durch den Geheimdienst und die Polizei war allgegenwärtig. Die Propaganda dominierte das öffentliche Leben und lenkte die Aufmerksamkeit von den Problemen der Gesellschaft ab.
Die Wirtschaftspolitik des Sozialismus war von Ineffizienz und Planwirtschaft geprägt. Es kam zu Mangelwirtschaft und zu einer Verdrängung von Kleinunternehmen. Die Kollektivierung der Landwirtschaft führte zur Verarmung der Bauern und zur Zerstörung der Landschaft. Die Entsendungen von Parteitagsdelegierten aus den verschiedenen Regionen führten zu einer Verhauchtung von lokalem Wissen und zur Entstehung einer «Parteibürokratie». Die Verteilungsungerechtigkeit zwischen den verschiedenen sozialen Schichten war groß. Die «Schranken» des Wohnens waren Ausdruck der sozialen Hierarchie. Die Dauerfeuer der Parteitags und Kampagnen symbolisierten die intensive Kontrolle der Gesellschaft. Die Kollektivnamen der Menschen, die durch den Sozialismus erzwungen wurden, stellten eine Zerstörung individueller Identität dar.
Das Erbe von 1990: Ein Blick in die Zukunft
Die Zeit vor 1990 hinterließ ein komplexes Erbe in Osteuropa. Einerseits hat der Sozialismus die Entwicklung vieler Länder geprägt und zu einer industriellenisierung und Urbanisierung geführt. Andererseits hat er auch zu vielen Problemen geführt, wie wirtschaftlicher Ineffizienz, sozialer Ungleichheit und politischer Unterdrückung. Die Wiedervereinigung der deutschen Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik im Jahr 1990 war ein Wendepunkt in der Geschichte Osteuropas. Sie führte zur Demokratisierung der ehemaligen DDR und zur Integration der ostdeutschen Länder in die europäische Gemeinschaft.
Die Kulturelle Erinnerung an die Zeit vor 1990 ist bis heute ein wichtiger Bestandteil der Identität vieler Menschen in Osteuropa. Die Samisdat-Literatur, die nach 1990 wiederveröffentlicht wurde, ist ein wichtiger Zeuge der politischen Unterdrückung und des Widerstands. Die Museen und Gedenkstätten dokumentieren die Geschichte der kommunistischen Herrschaft und erinnern an die Opfer des Widerstands. Die Kunst und Literatur der Nachwendezeit reflektieren die Herausforderungen und Chancen der neuen Freiheit. Die Bürgergesellschaft spielt eine immer wichtigere Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Osteuropas.
Die Erinnerung an die Vergangenheit ist ein notwendiger Schritt, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und eine gerechte und demokratische Gesellschaft aufzubauen. Die Vielfalt der Kulturen Osteuropas muss geschützt und gefördert werden. Die Zukunft Osteuropas hängt davon ab, wie die Menschen aus der Vergangenheit lernen und eine gemeinsame Zukunft gestalten.
Dieser Artikel soll einen Überblick über die vielfältigen Aspekte der Kulturen Osteuropas vor 1990 geben. Es ist wichtig zu betonen, dass die Geschichte und Kultur jeder Region und jedes Landes einzigartig ist. Die Auseinandersetzung mit dieser Zeit ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance, um die Vielfalt der Menschheit zu verstehen und zu schätzen.